28/11/2016

DIAGNOSTIK

Basisinfo:

In Österreich leiden etwa 120.000 Personen an einer dementiellen Erkrankung. Im Jahr 2050 muss mit einem Anstieg auf etwa 280.000 Demenzkranken gerechnet werden. Weltweit sind es etwa 40 Mio und werden 2050 auf 114 Mio hochgerechnet.

Die Alzheimer Krankheit ist die häufigste Demenzform (60%-80%) , gefolgt von vaskulärer Demenz (10%-25%), Lewy-Körperchen-Demenz (7-25%) und Frontotemporaler Demenz (5-7%). Andere Demenzursachen sind selten und machen gemeinsam einen Anteil von ca. 10% aus. Mischformen sind häufig.

Demenzerkrankungen können zu Pflegebedürftigkeit und bei Verhaltensstörungen zur Aufnahme in ein Pflegeheim führen. Dies verursacht hohe Kosten. Die medizinische Behandlung und professionelle Pflege wird von den Angehörigen und der erwerbsfähigen Bevölkerung bezahlt. Die informelle häusliche Pflege wird vorwiegend von Familienangehörigen geleistet, wobei heute bereits mehr als ein Drittel aller BetreuerInnen über 60 Jahre alt ist. Diesen Bereich der informellen Pflege teilt sich die erwerbsfähige- und ältere Bevölkerung.

In Österreich kostet die Versorgung Demenzkranker jährlich etwa zwei Milliarden Euro. Etwa 74% davon machen nicht ärztliche Kosten aus – die medizinischen Kosten betragen 20%. Die Kosten für Medikamente belaufen sich auf etwa 6% der Gesamtkosten.


Sind Gedächtnisprobleme erste Anzeichen von Alzheimer?


Gedächtnisschwächen können, müssen aber nicht erste Alzheimerzeichen sein. Jedenfalls sollten Betroffene zuerst zum Hausarzt – dann, mit Überweisung den Nervenfacharzt (Neurologe/Psychiater) aufsuchen. Viele Menschen bemerken eine Beeinträchtigung ihrer Gedächtnisleistungen, vor allem das Neugedächtnis betreffend. Dabei kann es sich um unspezifische, altersgemäße „Gedächtnisprobleme“ oder um die Beeinträchtigung des Gedächtnisses im Rahmen einer beginnenden Alzheimer handeln. Eine exakte Differenzierung der Ursache und eine eindeutige diagnostische Zuordnung ist in diesem Stadium oft schwierig , da sehr viele PatientInnen zwischen der völlig asymptomatischen Phase und der eindeutigen Demenz-Manifestation eine unterschiedlich lange „Prädemenz-Phase“ durchlaufen. Eine leichte kognitive Störung (MCI) liegt vor, wenn die PatientIn subjektiv kognitive Leistungsbeeinträchtigungen wahrnimmt, die im neuropsychologischen Test auch objektivierbar sind (Lern- und Gedächtnisstörungen), die Kriterien einer Demenz aber nicht erfüllen.

 Etwa 15% dieser PatientInnen entwickeln innerhalb eines Jahres tatsächlich eine Demenz.

Klinische Merkmale der „leichten kognitiven Störung“
(Mild Cognitive Impairment, MCI):

  • Subjektiv empfundene Gedächtnisprobleme, von einer Kontaktperson bestätigt.
  • Neuropsychologische Testleistungen durchschnittlich 1.5 Standardabweichungen schwächer als entsprechende Altersnormwerte
  • Normale Aktivität im täglichen Leben, Beeinträchtigung nur bei sehr komplexen Alltagsaufgaben
  • Normale allgemeine kognitive Leistung (MMSE > 26)
  • Keine Demenz


Kann Alzheimer diagnostiziert werden, bevor klinische Symptome auftreten?


Derzeit gibt es keinen sicheren Marker für die biologische (präklinische) Alzheimerdiagnose. An der Entwicklung eines verlässlichen Biomarkers zur Alzheimerfrüherkennung wird weltweit geforscht .


Wie verläuft Alzheimer ?


Zu Beginn der Erkrankung zeigen sich Störungen der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses, gelegentlich mit räumlichen Orientierungsstörungen. Im Verlauf vergessen die Betroffenen Namen wichtiger Ereignisse und Termine etc. In speziellen Wissensbereichen können allerdings über lange Zeit „Gedächtnisinseln“ erhalten bleiben. Anfangs ist die Fähigkeit, sich an weit zurückliegende Ereignisse zu erinnern, unbeeinträchtigt. Wegen der Neugedächtnisstörungen leben die Patienten biographisch rückorientiert. In den ersten Jahren der Erkrankung bleibt das kognitive Defizit infolge erhaltener „Fassade“ der Umgebung oft verborgen. Aus diesem Grund sind Selbst- und Fremdbeurteilungstests, Aufklärungsarbeit und die Enttabuisierung der „Vergesslichkeit“ für die Frühdiagnose wichtig.



Gedächtnisstörung

Klinisch beginnt die Beeinträchtigung des episodischen Gedächtnisses. Situationen, die sich im Verlauf der letzten Stunden, Tagen oder Wochen ereignet haben, werden nur bruchstückhaft erinnert. PatientInnen „überspielen“ ihre Gedächtnisstörung indem sie sich Ereignisse zusammenreimen (Konfabulation). Die Funktionsstörung des semantischen Gedächtnisses äußert sich in Wortfindungs- störungen. Den dementen PatientInnen fallen auch wichtige, insbesondere zusammengesetzte Worte wie Schreibmaschine, Eisschrank oder Lehnwörter wie Kabrio oder Roulade nicht mehr ein.

Sprachstörung (Aphasie)

Der Sprachinhalt verarmt relativ früh . Sätze werde kürzer und die Grammatik fehlerhaft. Während die motorische Sprachfähigkeit (d.h. spontane Sprachäußerungen ganzer Sätze mit korrekter Betonung und Grammatik) und die Fähigkeit des Nachsprechens bis in fortgeschrittene Alzheimerstadien erhalten bleiben, ist vor allem das Sprachsinnverständnis gestört und der Wortschatz reduziert.

Apraktische Störungen

Handlungen können nicht adäquat geplant und durchgeführt werden. Das zeigt sich häufig beim Kochen, später beim Autofahren, beim Anziehen und bei der Körperhygiene. Oft entwickelt sich eine „ideatorische Apraxie“: Der Handlungsablauf ist in Hinblick auf die Reihenfolge gestört. Es werden wichtige Teilhandlungen ganz oder teilweise ausgelassen. Damit wird das Verrichten alltäglicher Aufgaben wie das Schuhbandbinden, das Schuheputzen u.a.m. beeinträchtigt. Apraktische Störungen fallen den Angehörigen auf, weil die Selbstversorgung der Erkrankten reduziert ist.

Die Beeinträchtigung des Lesens und Schreibens tritt oft bei noch krankheitseinsichtigen Personen auf und führt zu reaktiv depressiven Episoden. In späteren Krankheitsjahren kommt es infolge der Gedächtnisstörungen zur örtlich- und zeitlichen Desorientierung. Im Spätstadium werden die Orientierung zur Situation und zuletzt die Orientierung zur eigenen Person (Geburtsdatum, Adresse etc.) lückenhaft. Die PatientInnen sind nicht mehr imstande, komplexe Aufgaben zu lösen, auch die Konzentrationsfähigkeit wird schlechter.

Der Krankheitsverlauf erfolgt in Umkehr zur normalen Entwicklung des Menschen. Die individuelle klinische Progression ist variabel. Infolge aufwendiger Pflege und medizinischer Betreuung leben AD PatientInnen in Institutionen um Jahre länger als früher, sodass viele Patienten in hohem Lebensalter aufgrund anderer Erkrankungen sterben.

Überblick: Klinische Merkmale bei Alzheimer

  • Langsam fortschreitender Verlauf
  • Zunehmende Gedächtnisschwäche (anfangs biographisch)

Eines oder mehrere der folgenden Defizite:

  • Aphasie = Sprachbeeinträchtigung
  • Apraxie = Störung in der Ausführung willkürlicher, zielgerichteter und
geordneter Bewegungen bei intakter motorischer Funktion
  • Agnosie = Erkenntnisschwäche der Sinne
  • Einbuße von Kompetenz u. Funktion in familiären, sozialen und beruflichen Bereichen im Vergleich zu früher
  • Einbußen bestehen länger als 6 Monate
  • Klares Bewusstsein
  • Verhaltensauffälligkeiten können im späteren Krankheitsverlauf auftreten

 


Ist Alzheimer erblich ?


Direkt vererbbare Formen der Krankheit sind selten. Weniger als 3 % aller Alzheimer-Demenzen werden autosomal dominant vererbt. Von dominanter Vererbung spricht man, wenn statistisch gesehen die Hälfte der Nachkommen eines Betroffenen ebenfalls erkrankt. Bei Personen, die an der dominant vererbten Form des Morbus Alzheimer leiden, wurden bestimmte Veränderungen (Mutationen) in der Erbsubstanz entdeckt . Diese liegen auf Chromosom 1 (Presenilin 2), Chromosom 14 (Presenilin 1) und Chromosom 21 (Amyloid Vorläufer Protein). Patienten mit den angeführten Mutationen zeigen meist schon vor dem 60. Lebensjahr Alzheimersymptome.

Bei etwa 30 Prozent der sporadischen Alzheimer-PatientInnen sind weitere Betroffene in der nächsten Verwandtschaft:

Verwandte ersten Grades – also Eltern, Kinder oder Geschwister von Alzheimer-Patienten – haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein zwei- bis vierfach erhöhtes Risiko im Laufe des Lebens ebenfalls an Alzheimer Demenz zu erkranken.

Verwandte zweiten Grades – also Tanten, Onkeln, Nichten und Neffen – haben ein zweifach erhöhtes Alzheimer-Risiko. Sind mehrere Verwandte erkrankt oder bricht die Erkrankung bei einem Verwandten vor dem 60. Lebensjahr aus, erhöht sich das Erkrankungsrisiko ebenfalls.


Wie viele verschiedene Demenzursachen gibt es?


Es gibt mehr als 100.

Die häufigsten sind:

  • Alzheimerdemenz (degenerativ)
  • Vaskulär bedingte Demenz
  • Demenzmischformen (degenerativ und vaskulär)
  • Lewy Körperchen Demenz
  • Frontale Demenzen
  • Toxisch bedingte ( zB Alkohol)


Sind mehr Frauen oder Männer betroffen?


Die Alzheimer Demenz ist in allen Altersgruppen bei Frauen häufiger als bei Männern. Die Zahlen steigen mit zunehmendem Alter bei Männern und bei Frauen exponentiell an. Bei 85-89-Jährigen ist die Rate der Neuerkrankungen pro Jahr mit 4.15% bei Frauen fast doppelt so hoch wie die 2.42%-Rate der Männer. Da Frauen insgesamt ein höheres Lebensalter als Männer erreichen ist der überwiegende Anteil (2/3) der österreichischen Alzheimerkranken weiblich.

 

Gender-Unterschiede der klinischen Demenzsymptomatik

Studien zeigen mehr sprachliche, amnestische, semantische und Orientierungsdefizite bei Frauen als bei Männern. Vor allem in den Bereichen Sprache und verbales Gedächtnis überraschen die Resultate wegen des bekannten Leistungsvorteils von gesunden älteren Frauen in allgemeiner Kognition, Sprache und verbalem Gedächtnis. Im Bereich Verhaltensstörungen haben Frauen mit Alzheimer Krankheit häufiger Depressionen während Männer häufiger Aggressionen zeigen.