28/11/2016

VORSORGE

Die Forschung zur Vorbeugung (Prävention) der Alzheimer-Demenz stützt sich zum überwiegenden Teil auf Beobachtungsstudien: Großangelegte Präventionsstudien laufen und viele sind abgeschlossen. So wurde etwa die Hormonersatztherapie (HRT) umfassend untersucht: Entgegen früheren Vermutungen ist nach aktuellem Wissenstand keine Wirkung der HRT in der Demenz-Prävention vorhanden.


Welche Nahrungsmittel haben einen schützenden Effekt?


Vitamine als “Antioxidantien”

Bis heute liegen keine überzeugenden Ergebnisse vor, die Vitamin E für die Alzheimer-Prävention qualifizieren. Darüber hinaus bestehen Bedenken wegen möglicher krankheitsauslösender Nebenwirkungen durch das Vitamin: So wurde in den letzten Jahren über ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankungen bei hoch dosierter Einnahme von Vitamin E berichtet. Daher kann die Zufuhr von Vitamin E zur Vorbeugung von Morbus Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen derzeit nicht empfohlen werden.

Ebenso fehlt ein eindeutiger Wirkungsnachweis für die Vitamine C, B1, B6 und B12, das Hormon Dehydroepiandrosteron (DHEA) sowie für die Alpha-Liponsäure (ALA) und die Folsäure. Sie werden daher nicht empfohlen. (auch bei erhöhtem genetischen Alzheimer-Risiko)

Omega-3-Fettsäuren (Alpha-Linolensäure)

Diese Fettsäuren sind in vielen natürlich gewonnenen pflanzlichen Ölen vorhanden.So machen sie beispielsweise rund 50 Prozent von Leinöl aus. Ebenso kommen sie in Fischen wie Makrele, Sardine, Sardelle oder Thunfisch vor. In der Vergangenheit haben einige Studien die Vermutung nahe gelegt, dass vermehrter Fischkonsum das Alzheimer-Risiko mindert, während der Verzehr von gesättigten, insbesondere tierischen Fettsäuren sowie ein erhöhter Blutspiegel an „ungünstigem“ LDL-Cholesterin das Alzheimerrisiko erhöhen. Um diese Vermutung konnte in aufwendigen Beobachtungsstudien nicht bestätigt werden.

Obst & Gemüse

Nach derzeitigem Wissenstand hilft der regelmäßige Konsum von Obst und Gemüse, die geistige Leistungsfähigkeit im Alter zu erhalten. So konnte etwa durch eine Studie aus dem Jahr 2005 belegt werden, dass betagte Frauen durch vermehrten Gemüsekonsum, vor allem von Blattgemüse, ein reduziertes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen hatten. Auch ältere Studien berichteten über einen positiven Einfluss von Obst und Gemüse auf die Gehirnleistung älterer Menschen.


Welche Lebensstilmaßnahmen senken das Risiko?


Wer bis ins hohe Alter körperlich aktiv bleibt, sich immer neuen geistigen Herausforderungen stellt und ein reges Sozialleben hat, hält dadurch nicht zuletzt seine grauen Zellen in Schwung. Dazu die Ergebnisse einiger aufwändiger Langzeitstudien:

Körperliche Fitness

Es gibt zurzeit deutliche Hinweise, dass ein körperlich aktiver Lebensstil einen direkten schützenden Effekt in Hinblick auf eine Demenzentwicklung hat. Es ist aufgrund des generell positiven gesundheitlichen Effekts von regelmäßiger Bewegung angemessen, ältere Menschen zur körperlichen Aktivität zu motivieren. Im Bereich der „körperlichen“ Aktivitäten hat Tanzen vor Wandern und Schwimmen die größte vorbeugende Wirkung gegen den geistigen Abbau.

Freizeitaktivitäten

Ob Freizeitaktivitäten die Entwicklung einer Demenz hintanhalten bzw. deren Verlauf positiv beeinflussen können, ist eine häufig diskutierte Frage.

Eine über fünf Jahre laufende Untersuchung mit 469 über 75-jährigen Teilnehmern kam zu dem Schluss, dass Personen, die mehrmals pro Woche Freizeitaktivitäten betreiben, im Vergleich zu solchen, die dies nur einmal wöchentlich oder seltener tun, ein vermindertes Demenz-Risiko haben. Interessantes Detail: Von den „geistigen“ Freizeitaktivitäten zeigte Brettspielen den größten Effekt, gefolgt vom Musikinstrumentspielen, Lösen von Kreuzworträtsel und Lesen von Büchern.

Bildung

Eine Studie des Stockholmer Karolinska Institutes kommt zu dem Ergebnis, dass hoher Bildungsgrad das nachweisliche Auftreten von geistigen Beeinträchtigungen bei Demenzerkrankungen verzögern kann. Die Forscher aus Schweden analysierten Datenmaterial einer Studie, an der seit dem Jahr 1972 insgesamt 1.449 Personen teilgenommen hatten. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 21 Jahre. Anhand regelmäßiger Befragungen und der Untersuchung geistiger Fähigkeiten ermittelten die Forscher den Einfluss von Faktoren wie Bildung oder Lebensgewohnheiten auf die Demenzentwicklung: Menschen mit sechs bis acht Jahren Ausbildung erkrankten seltener an einer Demenz als solche mit weniger als fünf Jahren Ausbildung. Auch nach Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren wie Alter, Einkommen oder Lebensgewohnheiten und Risikofaktoren für Arteriosklerose blieb dieser Zusammenhang bestehen. Ein besonders niedriges Risiko hatten hochgebildete TeilnehmerInnen ohne genetischer Vorbelastung.

 


Gibt es Medikamente, die vorbeugend (präventiv) angewendet werden können?


Cholinesterase-Hemmer: Ergebnisse von RCT-Studien zeigten, dass Cholinesterase-Hemmer (Rivastigmin, Donepezil Galantamin) nicht den klinischen Ausbruch der Alzheimerkrankheit verzögern können.

Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und Statine: Die Einnahme von NSAR und Statinen kann nach heutigem Wissensstand nicht zur Alzheimer-Vorbeugung empfohlen werden.

 

Zusammenfassung

Gesunde Lebensweise kann aus medizinischer Sicht zur Vorbeugung einer Alzheimer-Demenz empfohlen werden. Insbesondere gilt dies für Menschen, die unter Vergesslichkeit leiden oder ein erhöhtes familiäres Alzheimer-Risiko aufweisen:

Hohes Aktivitätsniveau

  • körperliche Aktivitäten (dreimal wöchentlich je eine Stunde Tanzen, Wandern, Schwimmen etc.), sofern gegen diese Ertüchtigungen kein medizinischer Einwand (z.B. Herzerkrankungen) besteht.
  • geistige Aktivitäten (Brettspiele, Musizieren, Lesen)
  • emotionale Aktivitäten (soziale Interaktion)

„Gesunde“ Diät

  • Obst und Gemüse (vor allem Blattgemüse)
  • Fisch (2-mal wöchentlich oder öfter)

(siehe „Fingerstudie“, Alzheimers Dement. 2013 Nov; 9(6):657-65. )

Folgende Medikamente und Nahrungsinhaltsstoffe können aufgrund mangelnder Wirkungsnachweise derzeit nicht zur Alzheimer-Vorsorge empfohlen werden:

  • Cholinesterase-Hemmer
  • Hormonersatztherapie
  • Vitamin E (zudem Risiko für andere Erkrankungen bei Überdosierung)
  • Vitamine C, B1, B6, B12,
  • Folsäure, DHEA, Alpha-Liponsäure, Omega-3-Fettsäuren
  • NSAR und Statine


Welche Faktoren beschleunigen den Alzheimerverlauf ?


Die 7 Alzheimer-Treiber (Risikofaktoren, nicht Verursacher!) wurden in einer Metaanalyse identifiziert: Lit: www.thelancet.com/neurology Vol 10 Sep. 2011

Was unter Alzheimerprävention gemeint ist, soll durch ein Beispiel aus dem Hochwasserschutz klar werden: Die Hochwasser-Schutzmassnahmen verhindern kein Hochwasser. Sie beeinflussen nicht die Regenmenge, nicht die Beschaffenheit des Bodens, nicht das Berggefälle aber sie beeinflussen die Art und Weise des Wasserablaufs mit dem Ziel der Schadensminimierung für Menschen und Objekte. So ähnlich kann auch die Alzheimervorsorge gesehen werden: AD-Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Genom (z.B. APOE4) sind unbeeinflussbare Größen – aber Beginn und Verlauf (Symptomprogression) der klinischen Alzheimersymptomatik werden durch Beachtung/Beseitigung angeführter Faktoren positiv beeinflusst. Im Folgendem werden die „Demenztreiber“ durch Angabe der weltweiten Häufigkeit und des relativen Risikofaktors beschrieben:

1. Bewegungsmangel

  • Häufigkeit: 17,7% aller Menschen sind  bewegungsträge,
  • (Bewegungsmangel betrifft Frauen, SeniorInnen und StadtbewohnerInnen am häufigsten)
  • Risikofaktor: 1,8 für Alzheimer, 1,4 für alle Demenzen
  • Dh. 80% erhöhtes Alzheimerrisiko verglichen mit bewegungsaktiven Menschen

2. Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus II)

  • Häufigkeit: 2010: 6,4% d.h. 280 Millionen, 2030: d.h. 440 Million Menschen
  • Relativer Risikofaktor: 1,4 für Alzheimer (dh 40% erhöhtes Alzheimerrisiko für unbehandelte DiabetespatientInnen)

3. Bluthochdruck

  • Häufigkeit:  9%  weltweit
  • Relativer Risikofaktor: 1,60 (dh 60% erhöhtes Alzheimerrisiko der unbehandelten Hochdruck -patientInnen im Vergleich zu Personen mit normalen Blutdruckwerten) Bluthochdruck im mittleren Lebensalter (30-60a) ist verbunden mit erhöhtem Alzheimerrisiko.

4. Übergewicht

  • Häufigkeit: 3,4% der Erwachsenen weltweit waren 2005 im mittleren Alter übergwichtig.
  • Frauen leiden häufiger an Übergewicht als Männer.
  • In den Industrieländern liegt die Übergewichtsrate im mittleren Alter bei 13%.
  • Relativer Risikofaktor: 1,80 für Alzheimer

Es besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen  Übergewicht und Alzheimer. Übergewicht im mittleren Lebensalter (30-60a) ist verbunden mit erhöhtem Demenzrisiko. Übergewicht im späten Lebensalter (>60a) ist assoziiert mit einem um 40% vermindertem, während Untergewicht im späten Lebensalter mit einem um 62% erhöhtem Demenzrisiko assoziiert ist. 2% (678 000) aller AlzheimerpatientInnen erleben die klinische Alzheimersymptomatik wegen ihres Übergewichts im mittleren Lebensalter.

5. Zigarettenrauchen

  • Häufigkeit weltweit 27,4%  (3·9–36%)
  • Relativer Risikofaktor: 1,80 für Alzheimer, 1,27 für alle Demenzarten

6. Geringe Ausbildung und geistige Inaktivität

  • Häufigkeit 40% der Menschen leben mit geringer Ausbildung (Sichproben von 146 Ländern)
  • 15% davon haben keine formale Schulbildung, 25% besuchten nur die Grundschule
  • Relativer Risikofaktor: 1,60 für Alzheimer

Das Demenzrisiko war um etwa 50% verringert bei Personen mit:

·      Hohem Bildungsgrad

·      Beruflicher Herausforderung

·      Hoher Intelligenz

·      Stimmulierender Freizeitaktivitäten

·      Demenzrisiko ist bei Personen mit geringer  “brain reserve” um etwa 85% erhöht.

7. Depression

  • Häufigkeit weltweit: 13%.
  • Relativer Risikofaktor: 1,9 für Alzheimer


Fazit: Würden alle sieben “Risikofaktoren” vermieden werden, könnte die Zahl der Alzheimer-Patienten  erheblich reduziert werden. (dzt.  gibt es weltweit etwa 40 Mio Alzheimerpatienten)